Philosophie des DeutschPunks

Aus Open-Punk

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1 Punk für Anfänger „Jeder kann Punk sein. Vom Büroarbeiter über den Müllmann bis hin zum Schüler. Schon am Tag deiner Geburt kannst du ein Punk sein. Es ist eine (Geistes-)Haltung, die man hat oder nicht. Punk ist nicht nur verkleidet zu sein, oder Leute zu schockieren. Es bedeutet auch Spass zu haben.“ 1 1.1 Das wichtigste in Kürze Oder warum jedes weitere Kapitel mit einem Musiktext beginnt. Denn der mit Sicher- heit zentralste und wichtigste Aspekt an der Punk-Bewegung ist die Musik.

„[...] der Punk-Rock das wichtigste Element des gesamten Phänomens Punk [...]“  2

Konzerte und Festivals sind die zentralen Treffpunkte der Punks. Da über die Musik auch zahlreiche Inhalte transportiert werden, bieten die Texte der Bands ein reales Abbild der aktuellen Denkweisen der PunkSzene. Die Musik war seit ihrer Anfangszeit der Ausgangspunkt für alle szeneinternen Ent- wicklungen. Die Texte der Songs sind meist gesellschaftskritisch, zynisch, aggressiv und „von beeindruckender Schärfe und Treffsicherheit“ 3 Die Texte sollen die Zuhörer zum Nachdenken anregen. Die Texte der frühen Punkbands waren geprägt von Negation, Provokation und Auf- lehnung. Die Sex Pistols legten mit Slogans wie „No Future“ den Grundstein für die ersten Punkbands, die mit ihren Texten schocken wollten und so auf die Missstände aufmerksam machen, mit denen sich die Jugend in Großbritannien konfrontiert sah. Während die Massenmedien in England beinahe täglich neue Schreckensmeldungen und Endzeitvisionen verbreiteten, griffen die Punkcombos den daraus resultierenden Zeitgeist auf und reproduzierten ihn in ihren Texten. Die Punk-Szene begriff sich schon früh als Gegenpol zur Gesamtgesellschaft, zu den Reichen und Mächtigen und vielen etablierten Institutionen und behandelte dieses Be- wusstsein in ihren Liedern. „So nimmt in den Texten die Ablehnung kollektiv verpflichtender und sinnstiftender Gebilde, wie z. B. das der Religion, einen breiten Raum ein.“ 4 1 Zitat div. Punks das so oder so ähnlich immer wieder gesagt wird 2 Thomas Lau, Die heiligen Narren. Punk 1976-1986, vgl. Literaturliste 4 3 Thomas Lau, Die heiligen Narren. Punk 1976-1986, vgl. Literaturliste 4 4 Thomas Lau, Die heiligen Narren. Punk 1976-1986, vgl. Literaturliste 4 4Zu Beginn der 1980er Jahre wurde nun auch linkspolitische Themen in den Texten verarbeitet, Aufrufe zum Klassenkampf, Solidarität mit der Hausbesetzer-Szene oder internationalen Revolutionsgruppen. In den USA manifestierte sich der politische As- pekt auch durch die Hardcore- und D.I.Y.-Szene, die in diesen Jahren entstand. In Deutschland (DDR und BRD) wurde in jenen Jahren ein eigener Stil etabliert, der klassische Deutschpunk, mit fast ausschließlich politischen, kämpferischen oder sys- temkritischen Texten, die vielfach eine Endzeitstimmung verbreiteten, die den Nerv einer von einem geteilten Land und dem Kalten Krieg beeinflussten Generation traf. Punk in Deutschland erhielt in diesen Jahren seinen politischen Anspruch u. a. auch aus den Überschneidungen mit der Hausbesetzer-Szene, die in diesen Jahren vor allem in Hamburg und Westberlin entstanden. Und auch in anderen deutsche Großstädten trafen sich die Punks nun an zentralen öffentlichen Plätzen, wo sie mit ihrem Ausse- hen provozierten und polarisierten. Der Höhepunkt der urbanen Konfrontation waren die Chaostage 1984 und 1995, sowie das Punkverbot in Karlsruhe 5 . Die Bands, die die Szene in diesen Jahren am meisten beeinflussten waren Slime, To- xoplasma, Daily Terror, Razzia, Canal Terror und Normahl. Die Bands waren alle- samt dem linken Spektrum zuzuordnen und ihre Aussagen dementsprechend kritisch geprägt. Aus dieser, während der 1980er Jahre innerhalb der Szene in Deutschland recht popu- lären Strömung, ging später auch der Funpunk hervor. Bands wie Abstürzende Brief- tauben, Schließmuskel, Frohlix, Die Goldenen Zitronen oder Die Mimmis lassen sich dieser Kategorie zuordnen. Aber die wohl bekanntesten Vertreter dieses Genres sind „DIE TOTEN HOSEN“ und „DIE ÄRZTE“, die ihren Weg von einer kleinen Punkband Anfang der 80er zu einer kommerziell erfolgreichen Rockband in den 90ern konsequent fortsetzten. Die beiden bis heute populärsten deutschen Punkbands, stellten sich beide zum Zeit- punkt ihres kommerziellen Durchbruchs in den 90ern deutlich gegen rechtsextreme Tendenzen. Zwar blieb auch ihnen auf ihren Erfolg hin der Vorwurf des Ausverkaufs nicht er- spart, doch wurde diese klar linke Positionierung innerhalb der Punkszene sehr positiv aufgenommen. Nicht zuletzt deshalb sind sowohl „DIE TOTEN HOSEN“, als auch „DIE ÄRZTE“ in der deutschen Punkszene nach wie vor salonfähig. Wenngleich die Musik, der Punkrock, einen immens hohen Stellenwert in der Szene hat und sich vieles auf ihn und um ihn herum konzentriert und entwickelt, so sollten die anderen Formen, in denen Punk sich künstlerisch Ausdruck verleiht, nicht verges- sen werden. Vor allem auch das Phänomen des Fanzines 6 , prägte die Szene. Fanzine Abdrucke und auszüge 5 Vgl Kapitel 2 6 http://de.wikipedia.org/wiki/Fanzine 51.2 Ursprung „Nach der Youth Bulge Theorie 7 führt ein Überangebot von jungen Männern zu Aus- wanderung und Krieg. Doch für die Generation der Baby-Boomer war der Krieg nicht mehr als gerechte Sache, sondern nur als Weltkrieg vorstellbar. Auch erschien es nicht sinnvoll sein Glück woanders zu suchen, wenn man schon in der reichsten Weltgegend wohnte. Jede Form der Weltverbesserung war schon durch die 68er be- setzt. Nur aus dieser Grundsituation heraus lässt sich eine derart selbstzerstörerische aus der eigenen Zukunftslosigkeit ein hedonistische Weltsicht entwickelnde Jugend- kultur verstehen.„ führt der Sänger von Die Kassierer W. Wendland treffend die Ur- sachen aus, die zu Entstehung von Punk führten. In London machten ab 1976 die Sex Pistols von sich reden. Die Band, die Punk als Subkultur und Stil zu dem machte, was seither darunter verstanden wird, wurden von Malcolm McLaren und Vivienne Westwood, der „Queen of Punk“, gemanagt und gefördert wurden. Mit ungeschliffenem und aggressivem Punkrock, bissigen bis nihilistischen Texten wie „Anarchy in the UK“ oder „God save the Queen“, sowie ihrem provokati- ven Stil schlug die Band im damals konservativ regierten England ein wie eine Bom- be. England war in dieser Zeit geprägt von schweren sozialen Problemen, hoher Arbeits- losigkeit und schlechten Zukunftsperspektiven insbesondere für Jugendliche. Punk in Großbritannien war letztlich eine Bewegung von unterprivilegierten, weißen Jugendlichen der Arbeiterklasse. Vielen von ihnen ging ihre soziale Situation sehr nahe, und sie benutzten das Medium des Punk, um ihre Unzufriedenheit auszudrücken. Auch wenn die Sex Pistols oft als Pioniere des Punks bezeichnet werden ist dies nicht die ganze Wahrheit, denn zeitgleich kamen The Ramones und Patti Smith in den U.S.A. auf. The Ramones waren die erste New-Yorker Punk-Band, die musikalisch den Durchbruch schaffte (Nur PunkMusiker; alle inzwischen tot), während Patti Smith (Punkkünstlerin: Punkmusikerin, Singer-Songwriterin, Fotografin, Malerin und Lyrikerin; lebt noch) oft als „Godmother of Punk“ 8 bezeichnet wird. 1.3 Was ist Punk Punk zu definieren fällt schwer. Ich möchte fast behaupten, Punk einem Nichtpunk zu vermitteln ist ähnlich wie einem Abstinenten das Gefühl des Berauschtseins oder ei- nem Nichtschwimmer das Gefühl des Schwimmens zu beschreiben. Es fehlen einem die Worte, es fehlen einem die Definitionen. Einen ersten Erklärungs- versuch liefern diese „Standardantworten“: „Punk ist was du daraus machst“ „Es ist eine (Geistes-)Haltung (Philosophie), die man hat oder nicht.“ Punk definiert sich von innen, die Szene entscheidet was Punk ist und was nicht. Ge- rade in den Randbereichen führt das aber zu erheblichen Unschärfen. 7 https://de.wikipedia.org/wiki/Youth_Bulge 8 http://movies.nytimes.com/2008/08/06/movies/06patt.html 6Aus diesem Grund möchte ich zumindest versuchen einen Teilaspekt dieser Frage, nämlich die Philosophie des Deutschpunks und sein Wandel oder eben NichtWandel im Laufe seines über 40jährigen Bestehens im Rahmen einer Diskussion annähernd zu beantworten. Wen obigen Antworten nicht befriedigen, dem dem gebe ich hier eine Auszug aus Wi- kipedia, was Punk angeblich sein soll, zur Hand: „Der Punk stellt sich gegen alle Konventionen, gegen die Konsumgesellschaft und ge- gen das Bürgertum sowie gegen rechte Weltanschauungen. Und obwohl sich die meisten Punks mehr oder weniger links sehen, stellt er sich genauso gegen die politi- sche Linke mit ihrem Etatismus. Dahinter steckt eine respektlose, resignierte bis ag- gressive Haltung gegenüber der Gesellschaft, eine Art rebellischer Nihilismus, und die Betonung der Freiheit des Individuums und des Nonkonformismus. Der Punk bringt sich vor allem durch Musik zum Ausdruck, ferner durch Kleidung, Frisuren und vom Do-it-yourself-Gedanken geprägter Grafik (Collagen, Xerographi- en und Comic-Zeichnungen). Der Punk betont das Hässliche und will provozieren; so stellen viele Fanzine- und Schallplattencover deutlich soziale Ungerechtigkeiten, wirtschaftliche Ungleichheit und Leid, Selbstsucht, Apathie, dystopische Visionen und andere Bilder, die die Ablehnung des Betrachters provozieren sollen, dar. Typischerweise drückt Punk eine gleichgültige Haltung gegenüber sich selbst aus; so erklärt sich auch die ungesunde Lebensweise vieler Punks. Es gibt aber auch andere Tendenzen in der Punk-Szene, bis hin zur Veganer- und Straight-Edge-Bewegung. Ei- nige der frühen Punk-Musiker studierten an Kunsthochschulen und kannten ältere ra- dikale Avantgarde-Konzepte. Andere waren aus kleinen Verhältnissen stammende Ar- beitslose oder Arbeitsverweigerer, die alles zurückwiesen, was es an Kultur und Sinn- stiftung zuvor gegeben hatte. Mit ihrem provozierenden Auftreten stießen die Punks in der Gesellschaft auf Unverständnis, Ablehnung und sogar Hass. Andererseits wurde Punk aber auch zu einer Art Popkultur. Dieser Widerspruch ist bis heute kaum befrie- digend erklärt. Nach Auffassung von Greil Marcus ist Punk untrennbar verknüpft mit dem Situatio- nismus der 1960er Jahre. Auch Malcolm McLaren, Mentor der Sex Pistols und damit einer der Protagonisten des frühen Punk, wollte dies gerne als den Ausgangspunkt der Bewegung ausgeben. Aber der Situationismus ist gefärbt durch politische Ziele des Sozialismus und Anarchismus. Der Punk hingegen hat keine einheitlichen politi- schen oder sonstigen Ziele. Dass zwischen dem Situationismus und dem Punk kaum eine Verbindung besteht, belegen auch zwei Werke, die als zuverlässige Quellen für die frühe Punk-Bewegung Londons gelten, weil sie aus dem persönlichen Umfeld der Protagonisten stammen: das Buch „Sex Pistols – The Inside Story“ von Fred und Judy Vermorel und die Autobiographie No Irish, No Blacks, No Dogs von Johnny Rotten, dem Frontmann der Sex Pistols. Laut Rotten war einer der Hauptgründe für das Punk-Phänomen der 1970er der Protest gegen das Klassensystem und die Chan- cenungleichheit, die die Jugendlichen der Punk-Szene dazu motivierte, über Klassen- grenzen hinweg füreinander einzustehen – gegen die Welt der Erwachsenen. 9 9 http://de.wikipedia.org/wiki/Punk#Punk_in_der_Theorie_und_als_Lebensgef.C3.BChl 71.4 Die Punk-Bewegung in Deutschland und der DDR Die Entwicklung der Punk-Szene in Deutschland von ihrer frühen Form in den späten 1970er Jahren bis zu der lebendigen und vielseitigen Subkultur im Jahr 2015, die von vielen Akteur als weltweit eine der größten und aktivsten beschrieben wird, ist beson- ders spannend. Als Punk als Subkultur entstand, war Deutschland ein geteiltes Land und im Gegensatz zu den USA war die gesellschaftliche Grundstimmung noch sehr konservativ geprägt und wenig offen für alle „andersartigen“ Lebensstile. Die gesell- schaftlichen Umstrukturierungen vor allem in den Denkweisen, die die 68er Bewe- gung auf den Weg gebracht hatte, reichten noch nicht aus, um etwas so provozieren- des und bewusst ablehnendes wie das Punk-Phänomen zu tolerieren oder gar zu ak- zeptieren. Allerdings hat sich politisch und gesellschaftlich seitdem in Deutschland viel verän- dert. Der Journalist Helge Timmerberg schreibt in diesem Zusammenhang von einem „... Deutschland, das nicht zu ertragen war. … Damals war Deutschland das langwei- ligste und intoleranteste Land überhaupt, heute ist es das glatte Gegenteil.“ 10 Spätestens seit der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 sah sich auch die PunkBewegung mit einem zunehmenden Wandel konfrontiert, denn die bewegte Ge- schichte der ehemaligen DDR-Punks verlieh der deutschen Punk-Szene zusätzlichen Aufwind und in den 1990er Jahren erstarkte die deutsche Szene einmal mehr. Denn trotz der Abschottung gegenüber allem Neuen aus dem Westen seitens der DDR bildete sich auch bzw. gerade 11 unter diesen extremen Bedingungen schnell eine Punk-Szene in der DDR, die, wie in den meisten anderen Ländern auch, in erster Li- nie auf die Musik konzentriert war. Die Redakteure der DDR-Musikzeitschrift Melodie und Rhythmus „... stempelten Punk kurzerhand als faschistische Jugendkultur des Westens ab.“ 12 Repressalien seitens der Staatssicherheit gegenüber denjenigen Jugendlichen, die ihr Interesse an Punk öffentlich zur Schau stellten, waren vorprogrammiert, denn: „Wohl nirgendwo auf der Welt wurden die Punks in einem Ausmaß zum Thema staat- licher Politik wie in der DDR. … Das Bemühen, einen eigenen Stil zu kreieren … zog massive Reaktionen des Staates auf sich.“ 13 Die ersten ostdeutschen Punkbands Müllstation, L`Attentat, Schleimkeim, Paranoia oder Charlie Kaputt, gründeten sich und konnten schon bald eine kleine Schar Anhän- ger vorweisen. Durch die Unterdrückung des Staates und die Ablehnung durch die 10 Timmerberg, H.: In 80 Tagen um die Welt. Rowohlt, Berlin 2008. 11 Anmerkung des Autors: Gerade unter extremen Bedingungen entwickelt sich Punk. Als aktuelles Bei- spiel dient da Maynamar (früher Birma): trotz der Militärdiktatur existiert dort eine grosse Punkbewe- gung die sehr aktiv ist (Die Toten Hosen waren im Dezember 2014 dort), oder Indonesien wo den Punks 2011 die Haare rasiert, Piercings entfernt und Kleidung abgenommen wurde (http://www.tages- schau.de/ausland/punksindonesien100.html). 12 Jan Sobe in IG Dreck auf Papier (Hrsg.): Keine Zukunft war gestern. Punk in Deutschland. Archiv der Jugendkulturen, Berlin 2008. 13 Kohtz, A.: Auch im Osten trägt man Westen. Punks in der DDR – und was aus ihnen geworden ist. Archiv der Jugendkulturen, Berlin 2000. 8Gesellschaft entwickelten die DDR-Punks schnell eine rebellische Attitüde, so schreibt ein ehemaliger Punk aus der DDR: „Die Ideologie für den Punk ist für mich erst entstanden und wichtig geworden, als ich erlebt habe, wie das ist von den sogenannten Bürgern der DDR beleidigt und von der Polizei gejagt zu werden.“ 14 Ebenso waren auch die Texte der Bands eindeutig geprägt von einer düsteren Grund- stimmung und Kritik am unterdrückerischem System, in dem die Musiker lebten: „Ich wohne dort wo die Schizophrenie regiert. Dort wo Dich jeder Spießer anstiert. Dort wo man Mauern baut. Sich keiner was zu sagen traut. Ich wohne dort wo die Panzer stehn. Dort wo man sagt das Leben ist schön. Dort wo bald kein Vogel mehr singt. Wo das Wasser nach Abfall stinkt. Wo du Dein Leben wie im Knast verbringst. Und mit den Bullen um ein bißchen Freiheit ringst. Wo das Blauhemd dominiert. Und die Jugend straff marschiert. Ich wohne in einem Friedensstaat. Abfahrt, Abfahrt, das ist zu hart. „ 15

Lediglich zwei Bands, nämlich Schleimkeim aus Erfurt (1983) und L`Attentat aus 

Leipzig (1987) schafften es, Aufnahmen aus der DDR heraus zu schmuggeln, und auf Plattenlabels aus dem Westen LPs zu veröffentlichen. Im Falle von Schleimkeim unter den in Saukerle verändertem Namen, um eine Wiedererkennung durch das SED- Regime zu vermeiden. In den 1980er Jahren und bis zum Fall der Berliner Mauer bzw. dem Niedergang des DDR-Regimes sah sich die Punk-Szene in Ostdeutschland zunehmend der Bespitzelung, Überwachung und Unterdrückung durch die staatlichen Kontrollorgane ausgesetzt. 1.5 Punk und Politik Die Punkbewegung hat auch seit Anbeginn den Beinamen "No Future Generation". Doch obwohl dieser Begriff frei definiert bedeutet, dass man keine Zukunft und keine Ziele hat, haben Punks Ziele. Aus den meist kritischen Inhalt der Musiktexte der Punkbands, die sich zumeist auf Gesellschaft, Politik und Zeitgeschehen bezieht, kann man diese Ziele ablesen. Den meisten Bands ging es zwar um eine kritische Haltung gegenüber dem Establish- ment, aber eine konkrete politisch motivierte Haltung war jedoch selten. Erst Anfang der 80er Jahre wurde ein Teil der Punkszene bekennend politisch. Fusio- nen mit der linken Antifa-Szene, wie etwa Hausbesetzern oder Autonomen, wurden gerade in England aufgrund der konservativen Politik Margaret Thatchers und in Deutschland durch die damalige Aktualität der RAF-Aktivitäten bestärkt. Büsser schreibt dazu 14 Mario Schulz in Fussnote 8 15 L`Attentat: „Friedensstaat“, 1987 9„Alles galt dem Gestus einer Radikalisierung (...) gegen Bullen, Staat und Jus- tiz. Ästhetisch vollzog sich damit auch eine Abwendung von der Öko- und Frie- densbewegung, obwohl sowohl Ökos wie auch Punks in Wackersdorf und an der Startbahn West nebeneinander standen (...)“ 16 Von der Abneigung gegenüber den oben genannten Institutionen zeugt auch der Text des Liedes „Nazis Raus“ der Gruppe Slime: „(...) wir brauchen keine Wehrmacht. Wir brauchen keine Bullen. Politik ist Scheiße, wir lassen uns nicht einlullen“ (Slime 1989) Viele Punkbands repräsentieren gewisse linke oder auch autonome Konsenswerte. Die britischen Bands wie Crass, Conflict, die baskischen Negu Gorriak3 oder die deutsche Band Slime ziehen neben Musikliebhabern auch eine große Anzahl politischer Akti- visten an, die sich im Umfeld der Subkultur aufhalten, genau wie Anhänger der Punk- szene oftmals an politischen Aktionen teilnehmen. Bescheidener zeigte sich zunächst die politische Tragweite des amerikanischen Punk. Eine der bekannteren ‘politischen’ Bands waren die Dead Kennedysdie immer wieder das politisch-kapitalistische System kritisierten. In Deutschland gibt entstand, kurz nach Aufkommen des Deutschpunks, im Jahre 1984 eine eigene Punkpartei: „Die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (Kurzbezeichnung: APPD) ist eine deutsche Partei, die sich selbst als „pogo-anarchistisch“ bezeichnet.“ 17 auf welche noch in den nachfolgenden Kapiteln kurz eingegangen wird. 1.6 Äußere Erscheinung Leopardenstoff Laut einer alten Legende wurden die ersten beiden Punks, Sid und seine Schwester Ratte, von ihrer bösen Stiefmutter zu Hause rausgeschmissen, weil sie ihr Zimmer nie aufräumten. Erst wussten die beiden nicht, wohin, doch dann gingen sie in den Wald, um Beeren zu sammeln, um sie vergären zu lassen (schließlich hatten sie kein Geld und konnten sich kein Dosenbier kaufen). Dort trafen sie auf eine Leopardin, die sie wie ihre eige- nen Kinder bei sich aufnahm. So lebten Sid und Ratte glücklich und ohne Hunger zu leiden bei ihrer neuen Adoptiv- mutter, bis sie volljährig wurden und endlich Sozialhilfe beantragen konnten. Seit die- ser Zeit tragen die Punx Leopardenstoff an Jacken, Hosen und Taschen, um an diese Begebenheit zu erinnern. Das zu Punk gewordene Klischee des typischen Punks, welches vor allem im Deutschpunk vorherrscht, bildeten sich erst zu Beginn der 1980er Jahre heraus. 16 Büsser M.: If the kids are united Von Punk zu Hardcore und zurück, Vgl. Literaturliste 32 17 http://de.wikipedia.org/wiki/Anarchistische_Pogo-Partei_Deutschlands 10So etablierte sich in diesen Jahren der „Mohawk“, der bekannte Irokesenschnitt der Punks. Es wurden Lederjacken mit zahllosen Nieten und Ketten getragen, bemalt mit provokanten und politischen Sprüchen oder Bandnamen und -logos. Zu dieser Zeit entstand auch das Phänomen der „Nietenkaiser“: Punks mit schweren Motorradlederjacken, die praktisch komplett mit Nieten besetzt waren. Dieses Outfit erfüllt lustigerweise bis heute immer noch seinen ursprünglichen Zweck: die Abgrenzung gegenüber dem Bürgerlichen und die Provokation desselben. 1.6.1 Outfit und Auftreten

Punk  war  schon  immer  eine  Subkultur,  für  deren  Entwicklung  die  äußere Dar-

stellungsform enorme Wichtigkeit hatte. Sämtliche Ausdrucksformen optischer Art waren für die jeweilige Zeit ihres Entstehens ein radikaler Umbruch, der im direkten Ge- gensatz zu der bestehenden Mainstream-Umwelt stand. Das gespaltene Verhältnis der Punks zu den Medien gründet sich unter anderem darin, dass die Punk-Szene aufgrund ihres subversiven und schockierenden Aus- sehens von Anfang an als potentielle Bedrohung wahrgenommen wurde. „Deutlicher als bei anderen Subkulturen waren bereits zu Beginn – neben musikalischen und ideologischen – modische Aspekte von enormer Relevanz. Modisches Design, subkultureller Stil und innovativer Einzelhandel trafen aufeinander.“ (Segebrecht 2004) Wenngleich die modischen Aspekte für ihr Selbstverständnis nur einen von meh- reren bestimmenden Faktoren bilden, steht doch außer Frage, dass sie für die Szene von Wichtigkeit sind. Abgesehen von all der angeblichen „Gammeligkeit“ und bewussten „Hässlichkeit“, die seit jeher in Bezug auf Punk (insbesondere durch die Medien) hochstilisiert wurden, wird oft unterschlagen, dass die Bewegung in ihren Ursprüngen eigentlich sehr ästhetisch auftrat. „Die erste Punk-Generation war gar nicht, wie die bürgerliche Presse es gerne darstellte, bewußt häßlich und verdreckt, sondern sie hatte ganz schön viel Sex Appeal [...].“ (Büsser 2000) Doch auch in den bewegten Jahren der folgenden, nunmehr 30-jährigen Geschichte der PunkBewegung wurde ein Stil entwickelt, der zwar einerseits, wie Büsser kritisiert, zur klischeebehafteten Uniform geworden ist. „Ein Sex Appeal, das übrigens verschwand, als Punk mit seinen Nietengürteln und Irokesenfrisuren immer überstylter und phantasieloser wurde.“ (Büsser 2000) Allerdings findet sich auf der anderen Seitein der gegenwärtigen Punk-Subkultur nach dem Aufweichen jahrzehntelang gepflegter Stereotype wieder die anfängliche sexy Mixtur aus diversen Stilvariationen, die ähnlich der ersten Punk-Phase anmutet. 111.6.2 Kleidung und Accessoires „Punk reproduzierte sämtliche Kleidungsstile der Nachkriegs- Jugendsubkulturen und kombinierte Elemente aus den verschiedenen Epochen dieser Stilgeschichte zu einer zerschnipselten Collage. Das gab ein Chaos aus Schmalzlocken und Lederjacken, „Brothel Creepers“ […] und „Winkle Pickers“, Turnschuhen und Parka-Mänteln, Mod Frisuren und Skinhead-Bürsten, Röhrenhosen und bunten Socken, ultrakurzen Miniröcken und Nagelschuhen – alles zusammengehalten von spektakulären Verbindungsmitteln: Sicherheitsnadeln und Plastikwäscheklammern, Sado-Maso-Riemen und Seilstücken, die ein Übermaß an entsetzter und faszinierter Aufmerksamkeit erregten.“ (Hebdige 1983) Hebdige (Hebdige 1979). beschreibt anschaulich, welch diffuse Mischung der verschiedenen Kleidungs-Stile Punk in seiner Entstehungsphase darstellte. Ele- mente aus nahezu allen vorangegangenen Subkulturen wurden verwendet, wenn- gleich oft gezielt zerstört oder bearbeitet und in umgekehrtem Kontext getragen Als Punk 1976 entstand, war bereits der kleinste stilistische Ausbruch aus den gängigen Konventionen eine Provokation. Und angesichts der Kleidungs- und Styling-Varianten, die Punk in seiner weiteren Geschichte hervorbringen sollte, erscheint die anfängliche Hysterie um den Punk-Style nicht mehr nachvollzieh- bar. „Betrachtet man heute Photos von den klassischen Punkbands, […] sehen die Beteiligten ziemlich propper und aus heutiger Sicht unspektakulär aus – weder übertriebenes Styling, noch übertrieben zerfetzt.“ (Büsser 2000) Auffallend war in diesem Zusammenhang lediglich, in welcher Art und Weise Punk vorhandene Kleidungsstücke nutzte, sie bearbeitete und zu einem Gegenent- wurf umgestaltete. So wurde aus einem Fan-T-Shirt der Band Pink Floyd und einem eigenhändig mit Lackstift gekritzelten „I hate“ ein Anti-Shirt der Band und eine bildliche Absage an den Mainstream-Rock im Allgemeinen. 18 Letztlich war das Outfit der Punks stets ironisch geprägt und als Absage an bestehen- de Werte zu verstehen. „Durch ein Sortiment untergründig komischer Zeichen symbolisierte sie sich in Knechtschaft: Ledergurte, Ketten, biedere Jacketts und steife Posen. So waren die proletarischen Akzente der Punks von Ironie durchdrungen.“ (Hebdige 1983) Oder wie Skai es ausdrückt: „Die Punks karikierten die wohlgekleidete Überflussgesellschaft, indem sie den Schund und Abfall zur Gossenexzentrik stilisierten.“ (Skai 2008) Selbstverständlich wurde der neue Kleidungsstil von seinen ersten Tagen an be- reits zur Mode erklärt und von Designer_innen aufgegriffen und reproduziert. 18 Genau dieses T-Shirt trägt der Schlagzeuger der Sex Pistols, Paul Cock, auf vielen Bandfotos. 12Bezeichnenderweise entstand die junge Punk-Szene in London um die Mode-Bou- tique Sex herum. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Punk in seinen Anfangstagen auch zu erheblichen Teilen eine Modebewegung darstellte und ihr dieser Ruf aufgrund ihrer so radikalen und revolutionären modischen Ausdrucksformen auch bald anhaftete. „Bei der Punk-Subkultur entdeckte die Presse den Kleidungsstil praktisch zur selben Zeit, als auch die abweichenden Aktionen der Punks entdeckt oder erfunden wurden. Genau in derselben Woche, als die Sex Pistols im Fernsehprogramm Today ihren ersten explosiven öffentlichen Auftritt hatten, startete der Daily Mirror die erste Folge einer aufrüttelnden Serie, die sich mit der bizarren Kleidung und dem Schmuck der Punks befaßte.“ (Hebdige 1983) Viele Kleidungsmerkmale aus dieser Zeit, wie etwa Bondage-Hosen, selbst be- malte und besprühte Hemden, Doc-Martens-Stiefel, „Chucks“ 19 , schwere Halsketten oder Kleidungsstücke im Tartan-Look 20 sind jedoch in der Punk-Szene immer getra- gen worden und werden es zum Teil bis heute. So schmückten bereits die Punks der ersten Generation ihre Jacken mit Buttons , ein Trend, der in der Punk-Szene im- mer präsent war und bis heute Bestand hat. In der Szene existieren zehntausen- de verschiedene Buttons 21 mit Bandlogos, politischen Botschaften und derglei- chen. Buttons existieren in verschiedenen Größen, aber die gängigsten Variationen bilden die 1-Inch und 2,5-Inch Buttons. Auch heute existiert nahezu keine von einem Punk getragene Jacke ohne einen oder mehrere Buttons. Diejenigen Ausdifferen- zierungen im Outfit, die flächendeckend das Klischee des Punk beeinflussten (und auch das Bild, z. B. des deutschen Punk in der Öffentlichkeit), bildeten sich erst später heraus, wie etwa jene schwarzen Motorradlederjacken mit Nieten und Buttons versehen und mit Sprüchen und Bandlogos bemalt. Auch Nietengürtel und -armbänder finden ihren Ursprung erst zu Beginn der 1980er Jahre, werden aber seither flächendeckend in der Szene getragen. Interessanterweise spielt das Alter eine große Rolle bei der Gestaltung des Outfits der jeweiligen Person. Je älter die Person werden, desto wahrscheinlicher normalisiert sich ihr Outfit. Aufwendig gestylte Punks finden sich hauptsächlich in der Gruppe der 16- bis 35-Jährigen. Unter den Älteren finden sich zwar immer noch genug Merkmale, die sie für andere Punks klassifizierbar machen, der Öffentlichkeit oder dem „Normalbürger“ fällt diese Einordnung dann mitunter nicht mehr so leicht, zu- mal wie bereits ersichtlich wurde, viele Stilmerkmale Einzug in den Mainstream gehalten haben. Den Unterschied zwischen dem Original und dem Plagiat, also dem Rip-Off 22 zu erkennen, ist tatsächlich ausschließlich in der Szene engagierten Perso- nen möglich. 19 Chuck Taylor Sneakers wurden vor Punk nur zum Sport getragen, erfuhren durch Punk eine Um- wandlung zu Straßenschuhen und etablierten sich in vielen nachfolgenden Jugend- und Subkulturen. „Chucks“ erfuhren in den späten 2000er Jahren einen erneuten Höhenflug und sind heute eine der füh- renden Turnschuh-Marken weltweit. 20 Tartan bezeichnet ein Webmuster, das hauptsächlich für Kilts verwendet wird und das auch unter dem Namen „Schottenkaro“ bekannt ist. 21 Buttons oder auch Badges sind runde, aus Metall gefertigte und mit Motiven verzierte Blechscheiben, die mit Nadeln an das Revers einer Jacke o. ä. angeheftet werden. 22 In der Punk-Terminologie wird Rip-Off als Synonym für die nicht-originalen Waren aus dem Punk-Kontext verwendet, die vom Mainstream massenhaft reproduziert werden. 13Heute findet sich in der Punk-Szene kein definierbar einheitlicher Kleidungsstil mehr. Zwar werden nahezu alle Elemente aus vergangenen Punk-Generationen auch heute (v. a. in diversen Teilbereichen der Szene) noch getragen, aber nur wenige Merkmale sind weiterhin flächendeckend verbreitet. Der etablierte Punk-Stil wird heute aber kombiniert mit Merkmalen aus der Hardcore-Szene, laut Büsser „[b]equeme Straßenkleidung, die den Handlungsspielraum nicht einschränkt“ (Büsser 2000), so wie der Gothic-Szene (mit der sich die Punk-Szene den Hang zu Sadomaso-Utensi- lien und einige andere Details teilt, z. B. Bondagehosen) und vielen anderen Subkultu- ren. Dazu werden auch aus dem Mainstream entliehene Elemente getragen. Kleidung wird selbst hergestellt oder auf Konzerten, im Internet oder den wenigen existierenden reinen Punk-Boutiquen oder Punk-Shops gekauft. So schließt sich letztendlich der Kreis, denn das eingangs dem frühen Punk von Hebdige attestierte „Chaos“ in seinem Kleidungsstil stellt heute in der Szene tatsächlich gelebte Realität dar. Punk bedient sich in Sachen Outfit bei nahezu allen anderen subkulturellen Stilen und kombiniert diese neuen Impulse mit dem eigenen Punk-Stil, was zu dem derzeit in der Szene vorherrschenden Stil-Mix führt. 1.6.3 Tattoos, Piercing, Schminken, Haare Piercing/Tattoo: Früher, als es noch keine Piercer oder guten Tättoowierer gab, hat man sich selbst Nasenlöcher gestochen (eine kalte Möhre in die Nase und mit einem Ring so lange gepörkelt, bis er drin war), Ohrringe das gleiche, eine Kartoffel hinters Ohrläppchen gehalten und den Ringe einfach durch gebohrt. Tattoos hat man selbst gestochen (ganz schlecht) mit nem Zirkel, den man in Tinte oder Rotring Tusche getaucht hat. Schminken: bei den Glampunks: Männer trugen extrem viel Kayal um die Augen oder schwarzen Nagellack auf den Fingernägeln - einfach auffallen, sich abheben, rausstechen aus der Menge. Irokesenschnitt: hier eine alte nicht ganz ernstgemeinte Anleitung von mir, wie man einen bunten Iro bekommt: Blondieren: Anfänger gehen in die nächste Drogerie und besorgen sich eine Packung "Born Blond - Ultra", Fortgeschrittene kaufen sich beim Friseurbedarf Blondierungs- pulver und -creme. Nach Gebrauchsanweisung auf die Haare klatschen. Nicht zu lan- ge einwirken lassen, sonst fallen die Haare aus. Färben: Deine Haarfarbe kannst Du beliebig wählen. Gesichtspunkte können sein: Politische Gesinnung (z.B. schwarz-rot), Augenfarbe (z.B. Blau), oder einfach die Farbe Deiner Lieblingsgummibärchen. Gruftiepunks wählen z.B. besonders gerne schwarz (ups, wenn das auf Dich zutrifft, hättest Du nicht vorher blondieren müssen…). Spießereltern, Lehrer und Nazi-Opas ärgerst Du am besten mit "Apfelgrün" (Apple Green). Schön sind natürlich auch Kombinationen aus mehreren Farben. 14Anwendung: Appliziere (tu) die Farbe mit einer Zahnbürste (findest Du im Bad Dei- ner Nachbarn oder in der Drogerie (erinnerst Du Dich? -der Laden, wo Du die Blon- dierung geklaut hast!)). Farbe eine Stunde lang einwirken lassen, auswaschen und fer- tig! der Postkarteniro: Warnung: Sei Dir der Konsequenzen bewusst, falls Du Dich für diese Variante entscheidest. Ein Postkarteniro benötigt ständige Pflege und ein haar- bewusstes Verhalten!! Folgendermassen sollte in Zukunft Dein Tagesablauf aussehen: Morgens in der Fußgängerzone. Regen. Der Iro steht. Mittags auf der Demo. Die Knüppel fliegen. Der Iro steht. Abends auf dem Konzi. Das Bier spritzt. Der Iro steht. Du siehst, alles was Du brauchst, ist ein starker Halt. Drei Wetter Taft? Nein, Du brauchst etwas Stärkeres. Merke: Alles, was billig ist und klebt, muss Deine erste Wahl sein (z.B. Seife, Honig, Leberwurst, Sperma (als Frau solltest Du Dir überlegen, wo Du es herbekommst; als Mann, wo Du es in den benötigten Mengen herbekommst. Tipp: Bitte Deine gesamte männliche Verwandtschaft unter 80, für Dich zu sammeln !)) EXTRA-TIPP: Sprühkleber ist billig, leicht zu beschaffen (Baumarkt), guter Halt. Nachteil: wird nicht richtig hart; es kann somit passieren, dass Dir morgens das Kopf- kissen am Kopf festklebt. MEGA-EXTRA-TIPP: Autolack!!! Gibt es in vielen attraktiven Farben (auch in Me- tallic-Tönen!)...ups, da hättest Du Dir Punkt 5 und 6 sparen können...., noch besserer Halt als Sprühkleber. Nachteil: Abbruchgefahr, z.B. beim Schlafen 23 23 Die ganze Anleitung findet man hier: http://www.heypunk.de/heypunk/inhalt/ueber- lebenskampf/ueberlebenskampf-haare1.htm 152 Einleitung Punk ist keine Religion Punk ist für sein Leben klarzustehen Punk ist keine Religion Punk ist seinen eignen Weg zu gehn Man sagt, wir sollen leben nach eurer Sitte und Moral und wer ein bischen anders ist den verflucht ihr tausendmal manchmal fühle ich mich gegen euch wie Don Quichote Ach, lasst mich doch in Ruhe ich scheiss auf euch und euren Gott 24 Seit den Anfängen des Punks Mitte der Siebziger versucht vor allem immer wieder die Medien- und Modeindustrie, neben anderen Konzerne, von dessen einzigartiger „Ausstrahlung“/Philosophie zu profitieren. Als Beispiele dienen da u.a.: ➔ Honda warb 2008 mit dem Motto: VERNUNFT IST DER NEUE PUNK.de" 25 ➔ Werbespot von LBS: „Wenn ich groß bin, will ich auch mal Spießer werden“ 26 ➔ Die YuppiZeitschrift „BusinessPunk“ 27 ➔ Mode: Vintage, used Look, Ramones T-Shirt bei H&M,.. ➔ „DeutschlandIros“ bei der FussballWM ➔ Stars die immer wieder mal gerne Iros tragen: Pink, David Beckham,... ➔ in vielen Filmen, Bsp.: A-Team: Mr. T ➔ Wortschöpfungen wie SteamPunk ➔ ….. Der Begriff „Punk“ wird auch heute noch mit Wildheit und Rebellion verbunden, mit Individualität und Anderssein assoziiert, ist jedoch längst nicht mehr so negativ belegt wie noch bspw. in den 1980er und 90er Jahren. Trotzdem sehen Gruppen wie Nazis, Polizei und das „Spießbürgertum“ in den anar- chistischen und unpolitischen Punks (Politik, Politik führt doch immer nur zum Krieg 28 ) immer wieder den „Untergang des Abendlandes“, die verboten gehören. 24 Normahl: Punk ist keine Religion 25 2008 vgl. Anhang 7.1 (das war sehr lustig) 26 https://www.youtube.com/watch?v=2pcE9nLqE2Y 27 http://www.business-punk.com/ 28 Vgl Anhang 7.3 und 7.4: leider nur 10% politisch korrekt!, Politik führt doch immer nur zum Krieg 16In der auch als Beamtenstadt bekannten Stadt Karlsruhe 29 ging man 2002 sogar so weit die Punks komplett zu verbieten 30 . Trotz der offensichtlichen Rechtswidrigkeit musste dagegen über 1 Jahr geklagt werden und selbst bei seinem Abschied verteidig- te der Leiter von Bürgerservice und Sicherheit, Dieter Behnle die Maßnahme. Nachfolgende ein kurzer Auszug aus dem Verbotstext: „Gemeinsames Ziel von Angehörigen der Punkszene ist u.a. eine zeitlich und inhaltlich koordinierte Provokation der Gesellschaft. Die Angehörigen der Punkszene verstehen sich als Subkultur unserer Gesell- schaft. Dies bringen sie durch ihr äußeres Erscheinungsbild wie auffällige Kleidung, besetzt mit einer Vielzahl von Symbolen, Aufschriften und Nieten und typi- schen farbigen Punkfrisuren zum Ausdruck. Bürgerliche Konventionen und Umgangsformen sowie Moral- und Ethikbe griffe lehnen sie ab. Natürliche Pietät und Schamempfinden werden bewusst verletzt. Inhalt und Absicht des gesamten Auftretens und Verhaltens ist das Bemühen, Mitbürger zu provozieren und das tägliche Leben zu beeinträchtigen, dabei soll gleichzeitig das von ihrem Freiheitsbegriff geprägte Leben zum Ausdruck kommen“ In anderen Städten bzw. der DDR wurden die Punks mit Hilfe der Polizei auch ver- trieben, drangsaliert, verhaftet und vor allem in der DDR auch länger eingesperrt, aber dies geschah unter dem Deckmantel der herrschenden Gesetzte ohne das eine eigene Verfügung erlassen wurde. Vor allem der Punkt „zeitlich und inhaltlich koordinierte Provokation “ sorgte bei den Punks für viel Erheiterung. Schon aufgrund der anarchistischen Grundstruktur des Punk ist ihnen das nicht mög- lich und auch nicht gewollt. Dies wird auch an den Chaostagen deutlich. In den Augen der Polizei waren diese ge- plant, da diese nicht davon ausgingen dass so ein Ereignis unkoordiniert stattfinden kann, was es aber der Fall war. Die Punks kamen nur aufgrund der Flugblätter um aufgrund der Punkerkartei für „Chaos“ 31 zu sorgen und sich dabei auf ein paar Bier bei Punkmusik mit Freunden zu treffen. Auch die Punkpartei APPD (anarchistische Pogo Partei Deutschlands), die schon 1982 gegründet wurde rief sowohl Faszination 32 wie auch Ablehnung 33 hervor. 29 http://ka.stadtwiki.net/Image#Eigensicht 30 Vgl. Anhang 7.2 31 Die ersten „offiziellen“ Chaostage fanden vom 1.-3. Juli 1983 in Hannover statt. Auslöser war eine ab 1982 von der Polizeidirektion Hannover geführte Kartei, in der Punks und Skinheads aufgeführt wur- den, um „einen Überblick über die Punkszene in Hannover zu gewinnen“ und einer befürchteten Ge- fährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entgegenwirken zu können Und als 1982 diese Punkerkarteien bekannt wurden, rief der Punkaktivist Karl Nagel nach Hannover zum "ersten Chaos- tag".Die Idee eines großen Punk- und Skin-Treffens war, möglichst viele „karteiwürdige“ Menschen nach Hannover zu holen, um so diese Kartei ad absurdum zu führen. 32 1997: .."die APPD im Stadtteil St. Pauli 5,3% der Stimmen und wurde dort viertstärkste Partei."... http://www.karlnagel.de/wp/appd-viertstaerkste-partei/ 33 Vgl Wahlwerbspot 2005: ...der damalige Innenminister Otto Schily bezeichnete ihn als „eine Schande für Deutschland“.... Eine nachfolgende ironische Entschuldigung wurde nicht gesendet. http://de.wikipedia.org/wiki/Anarchistische_Pogo-Partei_Deutschlands#Umstrittener_Wahlwerbespot 17Viele wussten nicht, was sie von deren überspitzen Forderungen wie Balkanisierung Deutschlands (heute nennt man das wohl Gentrifizierung), Rückverdummung (Hartz4-TV), Jugendrente (Hartz4), Arbeit ist Scheiße! und „Saufen, saufen, jeden Tag nur saufen!“ halten sollten. Trotz aller Vereinnahmungs- und Diskriminierungsversuche, seiner selbstzerstöreri- schen Tendenz (No Future), blieb Punk im Gegensatz zu vielen anderen Subkulturen bis heute unabhängig, unvereinnahmt, lebendig und hat sich immer wieder erneuert (Punk is dead <-> Punk's not dead) und dabei niemals ganz ernst genommen. „Zum Leben und zum Sterben bereit“ 183 Hintergründe Sie nennen uns Punk-Chaoten Weil sie nichts wissen diese Vollidioten Wir sind intolerant und Zerstörungswütig, stimmt sogar Doch wir ham' genug Gründe Überall wird man unterdrückt Nur die Besten werden 'rausgepickt Doch jeder hat das Recht zu leben Sich gegen Unterdrückung zu erheben Hey Punk - Zeig' ihnen, wer du bist! Hey Punk - Noch kein Terrorist! Hey Punk - Spuck' ihnen ins Gesicht! Hey Punk - Anders geht's nicht! Weg mit dem Scheißsystem 34 Auf die Idee der DeutschPunkPhilosophie kam ich, als am 28.7.2014 die gerichtliche Zwangsräumung der der „Pizzeria Anarchia“ in Wien statt fand 35 . Hier eine Kurzfassung der Geschehnisse: Die einschlägig berüchtigte Castella GmbH hatte vor drei Jahren das abge- wohnte Mietshaus erworben und die Punks mit der Absicht ins Haus geholt, die verbliebenen Altmieter zu vergraulen: „Die Mieter hätten sich überlegen sollen, ob das Haus noch wohnenswert ist im Zuge der Anwesenheit dieser Leute", sagte ein Vertreter von Castella. Erst mit dem Auszug des letzten Mieters können aus dem Mietshaus mit Gangtoilet- ten lukrative Eigentumswohnungen werden. Aber die Dinge entwickeln sich manchmal anders als man glaubt. Die Punks verstehen rasch, dass sie als Instrument der Ausmietung anderer ge- dacht waren und zeigen einen Beschützerinstinkt, mit dem die Eigentümer nicht gerechnet haben. Wenn es in der Nacht wieder an der Tür bumpert, sind die Punks zur Stelle und verscheuchen den nächtlichen ungewollten Besuch der Vermieterschergen. Ein selbstgemaltes Transparent mit dem Claim "Für die Mieter bleiben wir, auf Spekulanten speiben wir" hängten die Anarchisten auf, und jeden Sonntag back- ten sie im wieder instandgesetzten Steinofen Pizza gegen freiwillige Spenden. 34 Slime: Hey Punk 35 http://taz.de/Raeumung-der-Pizzeria-Anarchia-in-Wien/!143248/ http://derstandard.at/2000003586717/Wien-Vorbereitungen-zur-Raeumung-der-Pizzeria-Anarchia-be- gonnen?ref=article http://www.mieterschutzwien.at/index.php/3433/muehlfeldgasse/ 19Trotz mehrfacher Aufforderungen das Haus zu räumen bleiben die Punks mit dem letzten Mietern im Haus und so werden Ende August 14, 1700 Polizisten aufgeboten, um 19 Punks zu räumen. Die 13 jungen Männer und sechs Frauen wurden wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung festgenommen. Trotz dem Wissen, dass sie für Aktion bestraft werden, haben die Punks, ohne eige- nen Vorteil, das Haus besetzt gehalten, da sie es aufgrund ihrer Philosophie für „nor- mal“ hielten. Dies zeigt die Lebensfreude und Mut der durch eine „No Future“-Einstellung (wichtig ist das man im Moment das Richtige macht, und nicht was andere denken oder was passieren könnte) entsteht, und auch den starken soziale Zusammenhalt unter Punks, die sich gegenseitig ohne sich persönlich zu kennen, unterstützen. Um die Philosophie des Deutschpunks zu verstehen muss man sich auch mit der Mu- sik beschäftigen, denn Punk ist untrennbar mit der Punkmusik, welche als Träger der Philosophie fungiert, verbunden. Neben den vielen eigenen, oft sozialkritischen und bewusst provokativen, Texten wurden auch von Beginn viele Arbeiter- und Kampflie- der gecovert, die in der Punkversion großen Anklang in der Szene fanden und dafür sorgten dass sich Punks auch mit diesen Themengebiet beschäftigten und solidarisier- ten. Als szeneinternen Gegenentwurf zum anfänglich stark von Political Correctness und negativen Endzeit-Visionen geprägten Hardcore Punk entsteht Ende der 70er der deutschen FunPunk, dessen bekannteste Vertreter „die Ärzte“ und „die Toten Hosen“ sind. Neben dessen absolut sinnlosen und nihilistischen Texten sorgte der Funpunk auch dafür dass sich die Punks nicht zu ernst nehmen, da der Funpunk sich auch sar- kastisch mit Punk 36 auseinandersetzte und diesen damit vermutlich vor einer Erstar- rung bewahrte. Denn die Punks mussten sich dadurch auch immer wieder mit sich sel- ber auseinandersetzen und konnten sich nicht einfach nur selber abfeiern. Selbst an- fänglich radikale Punkbands veröffentlichten Funpunklieder die sich gegen eine Ritu- alisierung wendeten. Daneben entstand in den 90ern noch der ComedyPunk, dessen wichtigste Vertreter neben Lokalmatadore und Eisenpimmel, „die Kasssierer“ sind: Der musikalische Stil der Kassierer ist überaus breit gefächert und umfasst neben klassischem Punkrock Ausflüge in unterschiedlichste Genres wie Ska, Country, Jazz, Chanson, Techno oder Volksmusik. Viele Songs fallen darüber hinaus auch durch provokante Texte auf. Wiederkehrende Themen sind Alko- holkonsum („Schnaps und Bier“, „Besoffen sein“), Gewalt („Du hast ge- guckt“, „Tot, tot, tot“) und Sexualität („Hoch den Rock, rein den Stock“). Zu- dem wird der polarisierende Charakter der Band auch durch die kontroversen Bühnenshows unterstrichen. Ein Auftritt der Band in der Fernsehsendung Cir- cus HalliGalli, in der Wölfi zum Erstaunen des Studiogastes Lena Meyer- Landrut nackt den Song „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“ vortrug, kann als kleine Kostprobe hierfür betrachtet werden. Gleichzeitig veröffentli- chen die Kassierer aber auch regelmäßig Lieder philosophischen Charakters und Texte, die sich satirisch mit dem Zeitgeschehen auseinandersetzen. Die oft überspitzten und expliziten Texte führten dazu, dass bei der Bundes- prüfstelle für jugendgefährdende Schriften Anträge auf Indizierung dieses Al- 36 Vgl. Anhang 6.7, Lied aus dem Jahre1981 20bums sowie der nachfolgenden LP Habe Brille eingingen. Vorwürfe wie „Se- xismus“, „Gewaltverherrlichung“ oder „ethische Desorientierung“ wurden dabei jedoch stets entkräftet, da dem Entscheidungsgremium der satirische Charakter der Musik verdeutlicht werden konnte. Diese Entscheidungen tru- gen maßgeblich dazu bei, dass die Band immer häufiger in einem „Kunst“- Zusammenhang wahrgenommen wurde 37 Um die Musik frei und ohne Einschränkungen produzieren zu können gründeten die meisten Bands ihr eigenes Label und produzierten den Merchandise wie T-Shirt, But- tons, Kassetten (auch heute noch!),.... in Eigenarbeit, was auch dem DIY Grundge- danken des Punks entspricht. Auch die Konzerte werden, ohne Hilfe der kommerziellen Medien, im Untergrund durch selbst gebastelte Flyer und in den szeneinternen Fanzines beworben. Konzertflyer 38 Auch ein Personen- bzw. Starkult, wie man ihn bei vielen anderen Musikrichtungen oft antrifft, ist bei Punk inexistent, da dies dem Grundgedanken des Punks widerspre- chen würde. Dies zeigt sich eindrucksvoll am Beispiel des Sängers der Kassierer, der 2014 als OB für Bochum kandidiert. Je bekannter die Band wurde um so weniger Mühe gibt sich der Sänger, der inzwischen fast jedes Lied von Textzetteln die er in seiner Hand hält abliest. Seine Theorie ist: je schlechterer er ist, um so mehr Men- schen kommen. Was praktisch auch funktioniert. Die ersten Hotspots der Deutschpunkszene waren das Ruhrgebiet, München, Berlin und Stuttgart. Zwischen diesen Zentren tauschte man sich per Fanzine, die man auf den diversen Konzerten zum Selbstkostenpreis erwerben konnte, aus. Die urbanen Grossstädte trugen massgeblich zur Entwicklung des Punks bei. Dort konnten sich die Punks, meist auf zentralen Plätzen der Innenstadt, treffen, wo sie sich biertrinkend und musikhörend vergnügten und mit ihrem Aussehen sowie Verhalten (saufen, schnorren, Platte machen...) erfolgreich provozieren und polarisierten konn- ten. Die meisten Punks vom Land zogen daher, sobald es ging, in die Grossstadt, da man auf dem Land zum einen meist alleine war (keine Konzerte, keine Juzes, keine besetz- ten Häuser, nix Los,...) und zum anderen war es durch Faschos dort zuweilen auch (le- bens)gefährlich. 37 http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Kassierer 38 http://xezlos.blogspot.de/ 21Um zu überleben gehen viele Punks schnorren, da diese oft bewusst auf staatliche Leistungen wie Hartz4 verzichten, da sie nicht von einem System, das man bekämpft, abhängig sein wollen. Punk beim Schnorren (Quelle privat) Diese, meist schnorrenden, Anhänger von Deutschpunk, werden oft als Straßenpunks oder Assipunks bezeichnet, da sie optisch dem Aussehen der englischen Hardcore- punks nacheifern und an öffentlichen Plätzen anzutreffen sind (Stichwort: Clockwork Orange). Immer noch scheinen Punks, die in grösseren Städten fast immer an zentralen Plätzen anzutreffen sind, der übrigen Bevölkerung nicht geheuer. Wie man am Beispiel der Chaostage unschwer erkennen kann, scheint das Auftauchen einer größeren Gruppe Punks die Öffentlichkeit immer noch derart zu beunruhigen, dass ständige Kontrollen seitens der Polizei bis hin zu Aufenthaltsverboten in der Fußgängerzone notwendig scheinen. Ein Beispiel hierfür ist die im Jahr 2002 stattgefundene Auseinandersetzung zwischen der Stadt Karlsruhe und einer Gruppe zumeist jugendlicher Angehöriger der Punksze- ne, die sich fast täglich auf dem am Rand der Fußgängerzone gelegenen Kronenplatz trafen. Die negativen Reaktionen der Angestellten, Kunden und Inhaber der nahe ge- legenen Geschäfte auf für so genannte Straßenpunks, typischen Aktivitäten wie ge- meinsames Trinken, lautstarkes diskutieren oder lärmen (meistens begleitet von einem tragbaren Radio oder Kassettenspieler), sowie Schnorren, veranlassten die Stadtver- waltung dazu, im Sommer 2002 das bereits geschilderte Punkverbot zu erlassen. 224 Wieso nur Deutschpunk Ich bin hier geboren und Habe nichts andres gesehn Als zwei deutsche Staaten Die sich gegenüber stehn Plötzlich soll das alles wieder anders sein Neonazis hört man immer lauter schrein Mit billigen Parolen machen sie die Birne weich Und alle träumen wieder Vom Großdeutschen Reich Keine Überdosis Deutschland Keine Überdosis Deutschland 39 Zum einen wäre die Ausweitung auf die Philosophie des Punks weltweit vermutlich nicht in angemessener Zeit zu schaffen, und zum anderen weist DeutschPunk einige interessante Besonderheiten auf, welche sowohl geschichtlich aber auch durch kreati- ve Eigeninitiative bedingt sind . Nachfolgende einige Punkte die es so nur in Deutschland gab bzw. hier ihren Anfang nahmen: ➔ Teilung: durch die Teilung gab es bis 1990 zwei Punkszenen in Deutsch- land die sich trotz der unterschiedlichen Herrschaftsverhältnisse relativ ähnlich entwickelten und auch gegenseitigem immer in regem Austausch standen, da beide Systeme die Punks diskriminierten. ➔ Deutschland als Austragungsort des kalten Krieg, auf dem in diversen Lie- dern Bezug genommen wird und in den 80ern auch die Punks geprägt hat (Bsp: Daily Terror: Natauer Pakt: ...Amis go home, Ruskis verpisst euch... 40 oder Slime: Yankees raus) ➔ Nazivergangenheit: Punks distanzierten sich von Beginn an gegen die (Neo)-Nazis da deren Doktrin der Konformität und Gleichschaltung dia- metral der Grundidee des Punks entgegenstand. Politik spielte bei den un- politischen Punks keine Rolle, es gingen ihnen nur um die Ablehnung der pervertierten Ideologie der Nazis. Im Gegenzug machten die NeoNazis seit den 70ern gezielt Jagd auf die Punks (bekanntes Bsp.: die NSU 41 ) und brachten diese auch um 42 . 39 Normahl: Keine Überdosis Deutschland 40 Siehe Anhang 6.8 41 http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistischer_Untergrund 42 http://de.wikipedia.org/wiki/Todesopfer_rechtsextremer_Gewalt_in_Deutschland 23➔ R.A.F.: die Punks sympathisieren mit den anarchistischen Grundideen der R.A.F. ohne sich vereinnahmen zu lassen. Bsp.: WIZO: „Die RAF hat lei- der nur versäumt, es zu erklär'n wovon sie träumt.Die Theorie war intel- lektuell und kompliziert 43 “ ➔ Zentralrat der Punker (vgl. Kap.2 ) ➔ APPD (vgl. Kap.2 ) ➔ Chaostage (vgl. Kap.2 ) Aufgrund der ersten drei Punkte forderte Deutschpunk immer wieder die Abschaffung des deutschen Staates was in anderen Ländern nicht so deutlich der Fall war bzw. sel- ten textlich so eindeutig gefordert wurde. Vgl. Kapitelanfang: „keine Überdosis Deutschland“ Einige Ideen des Deutschpunks, insbesondere die einer PunkerPartei (die es dann in Island 2010 mit dem Motto: Mehr Punk, weniger Hölle 44 an die „Macht“ schafften) und Chaostage, wurden inzwischen von den Punks und anderen weltweit adaptiert. Unterkapitel APPD und Chaostage mit bildern, flyern texten usw. da kann sich masterbrain Karl austoben;-) 43 Vgl. Anhang 6.5 und 6.6 44 http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/Mehr-Punk-weniger-Hoelle-/story/25977893 245 Fragen Nehmt euch, was sie euch genommen Nehmt euch das,was euch gehört Macht kaputt, was euch kaputt macht Macht kaputt,was euch zerstört Noch ein Aufruf zur Revolte Noch ein Aufruf zur Gewalt Viel zu Lange gab`s Unterdrückung Steinigt diesen Staat! Eine Revolution für den Frieden und die Freiheit Eine Revolution für die Anarchie Einen Kampf der Unterdrückung, einem Kampf dem System Einen Kampf für die Anarchie!! 45 Was für eine Philosophie steckt hinter so einer Kultur, die je nach Interessenlage bis heute so so entgegengesetzt Reaktionen hervorruft (vgl. Kap. 2) und solche Konzepte wie die Chaostage und APPD hervorgebracht hat: „Zum Leidwesen von Pädagogen, Polizisten und Politikern hielt sich die Punk- szene nie an irgendwelche Regeln. Nach kurzer rebellischer Phase in den spä- ten Siebzigerjahren sollten die Punx bitte schön sich als kleiner Teil der Ju- gendkultur doch irgendwo bequem einrichten. Viele folgten diesem Gedanken- gang, aber eben nicht alle.“ 46 Welche Philosophie entwickelt sich wenn man konsequent alle gesellschaftlichen/bür- gerlichen Normen hinter sich lässt, auf diese scheißt, gepaart mit Selbstzerstörung und No Future. Dazu kommt, dass die wenigstens Punks sich intellektuell mit Philosophie bzw. Anarchie beschäftigten. Sie lebten es einfach, weil es ihnen so richtig erschien und daraus entwickelten sich die Punkphilosophie. Weshalb konnte trotz aller jahrzehntelange Versuche der (Medien)Industrie diese Punk niemals für sich vereinnahmen, und wieso sind Punks und Punkbands immer noch unabhängig und machen alles immer noch selber? Wieso, oder trotz seiner selbstzerstörerischen Tendenzen (No Future), hat Punk bis heute überlebt. 45 Wizo: Kein Gerede 46 Klaus N.Frick: Ein Reigentanz zum Knüppeltakt 25Denn trotz einer im Gegensatz zur Durchschnittsbevölkerung abschreckend hohen Sterberate, die zum einen der Lebensphilosophie, wie auch der daraus resultierenden Gefahren wie Nazis und Schikanen geschuldet ist, hat sich diese Kultur bis heute er- halten und die meisten Punks bleiben diese Philosophie, sofern sie überleben, ein Le- ben lang treu 47 : „Gelegentlich packt mich in diesen Tagen die Empfindung, dass mein Leben ganz schön brav und langweilig geworden ist – man könnte auch sagen, es sei bürgerlich geworden: Ich gehe zur Arbeit, ich kümmere mich abends meist auch um arbeitstechnische Dinge und verbringe viele Wochenenden damit, Manuskripte und andere Texte zu lesen oder sie zu bearbeiten. Sonderlich »punkig« ist das nun wirklich nicht. Schaue ich zwanzig Jahre in die Vergangenheit, erkenne ich, wie sich vieles verändert hat. Bei vielen Wochenenden wusste ich nicht, wo ich am Sonntag morgen aufwachen würde – vielleicht in einer Polizeizelle oder in einer Ab- sturz-WG? –, und die gelegentlichen körperlichen Auseinandersetzungen in Verbindung mit viel zu viel Alkohol brachten es mit sich, dass ich wenig Hirn für teures Essen und schönen Rotwein aufbringen konnte. Schöner Nebeneffekt: Vor zwanzig Jahren futterte ich wie ein Scheunendre- scher und nahm nicht zu ... Der schöne Nebeneffekt heute: Ich schleppe mich montags nicht mit Beulen auf dem Hinterkopf oder grüngetretenen Schienbei- nen zur Arbeit. Und ich muss nicht dienstags anrufen und mir für mein Fehlen am Vortag eine schlaue Entschuldigung ausdenken. Wahrscheinlich ist das normal: Wer älter wird, bekommt eine gewisse Ruhe, der Bauch scheint unweigerlich zu wachsen. Dass ich nicht so richtig zufrie- den bin, ist da doch geradezu beruhigend …“ 48 47 http://www.punkfoto.de/posieren-heute 48 http://enpunkt.blogspot.de/2014/11/ruhe-versus-unruhe.html 266 PunkPhilosophie Punk ist eine Philosophie, die dir den Weg durchs Leben zeigt und dich motiviert. Die bestehende Punk-Gemeinschaft existiert, um diese Philosophie durch Musik, Kunst, Fanzines und andere Ausdrucksformen persönlicher Kreativität zu leben und zu reali- sieren. Und was beinhaltet diese Philosophie? No Future: Die wichtigste und radikalste Botschaft der Punkphilosophie wurde von den Sex Pis- tols in dem Lied „God save the Queen“ postuliert. Mit so einem Leitgedanken in der Philosophie, mit dem Rücken zum Abgrund, kann man alles machen, den man hat nichts zu verlieren und kann nur gewinnen und jeder Tag der kommt ist ein Gewinn. Durch so eine „No Future“-Einstellung entsteht viel Lebensfreude und Mut, denn es ist nur wichtig, dass man im Moment das Richtige macht, und nicht was andere den- ken oder was passieren könnte. Hedonismus: Wenn jeder Tag dein letzter sein könnte, wieso diesen dann nicht in vollen Zügen ge- nießen. DIY „Do lt Yourself ist die treibende Kraft hinter fast allen ernstgemeinten Anstrengun- gen von Punk. Wir brauchen keine reichen Geschäftsleute, die unseren Spaß für ihr Profitinteresse ausschlachten. Wir Punks können selbst Konzerte veranstalten, De- monstrationen organisieren und daran teilnehmen, Platten veröffentlichen, Bücher und Panzines herausgeben, für unsere Produkte einen Versand aufziehen, Plattenläden er- öffnen, Texte verteilen, Boykotts fördern und an politischen Aktivitäten teilnehmen. Wir tun all diese Dinge, und wir tun sie gut. Kann das irgendeine andere jugendliche Gegenkultur der 80er und 90er von sich behaupten?“ 49 Lebe dein eigenes Leben und übernimm selbst Verantwortung Denke selbstständig, sei du selbst, nimm nicht einfach das, was die Gesellschaft dir anbietet, schaffe deine eigenen Regeln, fälle kein Urteil aufgrund von Äusserlichkei- ten, lebe dein eigenes Leben und übernimm selbst Verantwortung. Diese gilt zuerst einmal nur für einen selbst und dafür, das eigene Leben zu ordnen und zu meistern. Dabei werden alle andere mit einbezogen, ob sie wollen oder nicht. Denn Punks stellen die oft vorherrschende Konformität nicht nur durch ihr abwei- chendes Äußeres infrage und dadurch, dass ihre Musik einfach und gewalttätig klingt, sondern dadurch, dass sie die herrschenden Denkmuster hinterfragen. 49 Joel, PE Nr. 11/12, Herbst 1991, 10 27Sie stellen für andere unbequemen Fragen zu Themen wie Arbeit, Rasse, Geschlecht und der eigenen Existenz, denn ihre Gedanken werden stets von ihrem Umfeld be- stimmt. Sie verlassen sich bei der Gestaltung der eigenen Realität nicht auf andere. keine Autoritäten Konformität infrage zu stellen, bedeutet auch, Autorität infrage zu stellen, daher ha- ben Punks keinen großen Respekt vor Autoritäten jeglicher Art. Denn mit Zwang ausgeübte Autorität wird von den Punks als eines der grössten Grundprobleme unsere Gesellschaft angesehen: Von den deutschen Nazis über die Opfer von Stanley Milgrams Schockexperimenten bis hin zur heutigen Polizei ist nachgewiesen worden, dass unreflektierte Autoritätshörigkeit in der massenhaften Ak- zeptanz von verbrecherischen Handlungen resultiert. Punks haben Respekt vor Menschen die etwas können oder machen (Bands, Fanzines, Label,….), aber kein Respekt vor Autoritäten, egal ob diese sich auf staatliche oder göttliche Legitimation berufen. 6.1 Abgrenzung Hey wieso taucht da nichts von Anarchie auf. Das ist eine eigenständige und vor allem politische Philosophie Die Vorliebe der Punks zur Anarchie resultiert aus deren gemeinsamen Abneigung von Autoritäten, wodurch es automatisch eine grosse Schnittmenge zwischen beiden Philosophien gibt, jedoch auch eindeutige Unterschiede. Bsp. Plenum: Anarchisten lieben sie, Punks hassen sie

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