Attacke der Alten

Aus Open-Punk

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Dieser Dienstag war an sich nichts besonderes, ich holte ein Päckchen von der Post ab und ging weiter zum S-Bahnhof Lankwitz. Ich lief durch diesen nasskalten Oktobermorgen, als ich hinter mir das Geräusch eines Fahrrads hörte. Keuchende Töne ließen auf ein älteres Semester schließen.

„Hey, Junger Ficker, hau ab, sonst gibt’s saures, du jugendlicher Scheißer.“

Erstaunt drehte ich mich um, eine hutzelige Oma klebte auf dem Weltkriegsklapprad. Ihr Alter schätzte ich auf Mitte achtzig.

„Na, jetzt ist aber gut, Oma, das geht bestimmt auch netter.“ Konterte ich, zugegeben, etwas lahm.

„Geh weg du Schwanz, oder ich fahr dich über den Haufen, Arschloch.“

Erschüttert wich ich ihr aus und sah ihr kopfschüttelnd hinterher. Spinnt die denn, ich hab ihr doch gar nichts getan, wanderte es durch meinen Schädel. Der restliche Tag verlief ziemlich normal, ich besuchte Hermann.

Am nächsten Tag merkte ich, dass mein Kühlschrank fast leer war, daher besuchte ich unseren Plus Supermarkt. Mit vollen Armen stand ich an der Kasse, da trat mir Jemand von hinten in die Hacken. Wütend drehte ich mich um, ich erwartete dumme Kinder randvoll unerwarteter Hormone, aber Irrtum. Ein kleiner Greis, keine eins fünfzig groß, grinste mich fies an.

„Ey, Kackvogel, lass mich vor, ich hab nicht mehr so viel Zeit wie du, los, weg mit dir, eh ich mich vergesse.“

Na, jetzt reichte es aber, schließlich hatte ich gestern schon so eine Debatte.

„Hör zu, Naziopa, mir egal ob du hier den Löffel abgibst, oder nach deiner lauwarmen Pampe, schön die Fresse halten und alles wird gut.“

Sein in Latschen steckender Fuß zuckelte wieder vor, aber ich wich mühelos aus. Er begann zu keifen.

„Bolschewistenlümmel, rote Sau, ich hab in zwei Kriegen gekämpft, während du mit deinem Pimmel spielst. Ich leg dich um, ohne Gewissen.“

Seine dürren Ärmchen machten verzweifelt alberne Boxbewegungen.

„Geh mir nicht auf den Sack, alter Faltenkopf, Kampfmumien sehe ich mir lieber im Kino an, die sind glaubwürdiger."

Meine Waren lagen auf dem Band und wenige Minuten später verließ ich den Laden. Noch so einer, dachte ich. Tun die jetzt Tollwuterreger in das Viagra? Ich drehte mir eine Zigarette und steckte sie mir ins Gesicht. Rauchend ging ich nach hause, schließlich hatte ich auch Tiefkühlkram gekauft, der sollte nicht auftauen. Völlig in Gedanken bedachte ich nicht, dass ich am Seniorenheim vorbei musste. Kein Problem, normalerweise. Heute sah die Kiste aber anders aus. Eine Oma zog mir die Kippe aus den Lippen und zerbrach sie.

„Rauchen ist ungesund, Pickelfresse.“

Pickelfresse? Ich bin 38 Jahre und habe keine Pickel, was bildet die sich ein, die verschimmelt doch schon, ohne es zu merken.

„Mach nen Schuh, Bengel, sonst gibt’s was auf den Arsch.“ Lachend klatschten sich die Alten ab, ich war der Depp, ihr Opfer. Und langsam wurde mir die Sache mulmig, das waren gut zehn Rentner, die dort rauchend und Kaffee trinkend vor dem Altenheim rumlungerten. So wie die drauf waren konnten die echt gefährlich werden. Ich sah zu, dass ich weg kam.

Zuhause telefonierte ich mit Jan, der ist vernünftig, dachte ich mir, der hat was im Kopf, der weiß was hier los ist. Er wusste es.

„Aufstand der Alten, die haben eine Seite im Netz und wehren sich jetzt. Gegen Jugendwahn, Rentenkürzung und Ausgrenzung. Die haben auch einen militanten Flügel und sind anscheinend sogar bewaffnet. Ihr Slogan lautet, MIT 66 JAHREN FÄNGT DIE RANDALE AN!"

Das wars also, die Alten schlagen zurück, und kämpfen konnten die zumindest mal. Wenn das wie beim Fahrradfahren ist, schönen dank auch. Mir wurde schlecht. Seit diesem Tag geh ich nur noch mit einem Knüppel aus dem Haus.

Seit ihrer Kampagne musste ich den Prügel oft einsetzten und bekam gelegentlich etwas ab, Die Welt ist nicht mehr wie früher, es herrscht Krieg.

Der Krieg der Generationen.


Ende


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